Kindesmissbrauch

Die Auserwählten
DVD;  Deutscher Fernsehfilm von 2014 mit Ulrich Tukur, Julia Jentsch, Leon Seidel, Rainer Bock, Lena Stolze unter der Regie von Christoph Röhl; 2014, Edel Germany GmbH.
 

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Die Odenwaldschule in Hessen galt als eine der Vorzeigeschulen in Deutschland. Sie schrieb Geschichte, aber anders, als sich dies alle Beteiligten gewünscht hätten. Schülerinnen und Schüler waren Freiwild und mussten für die sexuellen Begierden einiger Lehrer herhalten. Der Skandal wurde lange vertuscht, schwappte aber endlich 2010 nach oben im Rahmen ähnlicher Vorwürfe gegen katholische "Geistliche", die sich ebenfalls an Minderjährigen und Schutzbefohlenen vergangen hatten.

Im Vorfeld der Ausstrahlung dieses Films in der ARD kam es zu einigen Auseinandersetzungen um die Geschehnisse, diese spielen für meine Bewertung des Streifens hier keine Rolle. Bei einem solchen Fernsehfilm geht es mir um die Frage, ob er mir gefallen hat, sofern ein solcher Film gefallen kann.

Die junge Lehrerin Petra Grust kommt in den siebziger Jahren als Biologielehrerin an die Odenwaldschule, einem Hort der Pädagogik und des Verständnisses für junge Menschen. Ihre letzte Stelle musste sie räumen, weil sie gekifft hat. Ihr Vater, ein Staatssekretär, hat seine Beziehungen spielen lassen und seine Tochter an der Odenwaldschule untergebracht, obwohl er vom Leiter der Schule nichts hält. Leiter der Internatsschule ist Simon Pistorius, der mit leichter Hand das Kollegium führt und sich geschickt durchzusetzen weiß. Einige Lehrer leiten eine Gruppe von Schülern und wohnen mit ihnen zusammen. Mit einer Fotokamera durchstreift die Lehrerin Petra die wunderschöne Gegend. Ihr fällt der dreizehnjährige Frank Hoffmann auf mit seinen langen roten Haaren. Petra spürt wohl, dass der Junge Probleme hat, aber nur langsam erschließen sich ihr diese Probleme. Die Odenwaldschule ist nicht das, was sie geglaubt hat. Zunächst erwischt sie einen Kollegen nach dem Sex mit einer Schülerin. Ein schwuler Lehrer vergnügt sich in einem Bulli mit einem Jungen. Pistorius schließlich duscht mit den Knaben. Ihr dämmert, dass die Schüler von den Lehrern missbraucht werden. Ein Schüler, der seine Mutter informiert hat, fliegt wegen Drogenbesitzes von der Schule. Dafür rückt ein jüngerer Schüler aus ärmlichen Verhältnissen nach, an dem sich Pistorius zügig vergeht. Zwar wird der Schulleiter immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, die Jungs zu missbrauchen, aber solche Vorwürfe lächelt er weg. Die Eltern glauben ihm, nicht ihren Kindern. Das muss auch Frank erfahren, der von seinem Vater ins Internat abgeschoben wurde. Als er sich den Übergriffen des Schulleiters entziehen will, hetzt der der andere Schüler auf ihn, die ihn als Schwuchtel verspotten. In seiner Verzweiflung schneidet er sich erst die Haare kurz, dann verletzt er sich, schließlich will er sich umbringen. Petra Grust versucht gegenzusteuern, doch sie scheitert an Pistorius und seiner Stellung in der Schule sowie an seinen Kontakten. Vom Missbrauch will niemand etwas wissen. Und auch Jahrzehnte später will niemand etwas gewusst haben, als sich ehemalige Schüler Gehör verschaffen. Nun ist die Chance für Petra Grust gekommen, aber der Missbrauch hat ein Menschenleben gefordert.

Sieht man vom Ende ab, ist hier ein besonderer Film geglückt über Verführung und Gewalt an einer Schule. Eine gläubige Schar an Bewunderern hängt an den Lippen ihres Gurus, man sieht weg oder macht mit. Die Gewaltszenen sind dezent umgesetzt, es wird nichts gezeigt, es bleibt bei Andeutungen. Die stärksten Szenen hat Ulrich Tukur. Sein Pistorius ist ein strahlender Lehrer. Man sieht ihm den Spaß an, den ihm sein Amt bietet: er genießt die Bewunderung der Kolleginnen und Kollegen, er freut sich über die Anerkennung von außen, er wischt die Bedenken seiner Mittäter mit einem Lächeln vom Tisch, und der Missbrauch der Knaben bereitet ihm ersichtlich Freude. Das muss man erst mal spielen können, und Tukur kann das spielen. Das Böse kommt mit einem Lächeln daher. Schauriger Höhepunkt des Films ist der Moment der Wahrheit, als er Franks Vater erzählt, wie schön und rein der Missbrauch ist. Das Ende ist ein bisschen zu dick, aber durchaus verständlich: Die Zuschauerinnen und Zuschauer sind mit den Augen der fotografierenden Petra durch die Odenwaldschule gehuscht, haben das Grauen gesehen, es ändern wollen, aber es nicht ändern können. Nun kann Petra helfen, und so geht sie als Siegerin vom Feld. Die Gerechtigkeit stellt sich wenigstens im Ansatz durch die Aufarbeitung der Geschichte ein. Naja, so ganz nicht, denn der Abschied, das Ende gehört Pistorius, der in einem Heim von einem jungen Pfleger versorgt wird und sich einen Dreck um die Folgen seines Treibens kümmert.

Hat das gefallen? Als Film fand ich das sehenswert und danke dem Schicksal, dass mir in meinem Internatsleben solche Pädagogen erspart geblieben sind.

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Bearbeitet am 18. Oktober 2014