Noch mehr Soaps

Jovan Evermann, Ulrike Elsäßer, Michael Thiel: Dallas, Denver & Co. Das große Lexikon der amerikanischen Soaps, Lexikon Imprint Verlag, Berlin 2002

Um es gleich zu sagen: dieses Buch mit seinen 431 Seiten ist den Autoren missraten.
Dabei ist ein Nachschlagewerk über die großen amerikanischen Soaps im Fernsehen ein echtes Desiderat, obwohl natürlich heute durch die Segnung des Internets zu nahezu jeder bekannten TV-Serie etwas Gescheites zu finden ist, von den Schauspielern ganz zu schweigen.
Im genannten Opus werden chronologisch zwanzig amerikanische Seifenopern vorgestellt, dazu kommt noch ein rundes Dutzend brasilianischer (!) Telenovas, auf die man gut hätte verzichten können: wer sieht schon brasilianische Fernsehserien? Konzentrieren wir uns also auf die amerikanischen Serien. Hier findet der Neugierige Informationen zur “Springfield Story”, die bereits 1937 im Radio anlief, sich schließlich ins Fernsehen rettete und in den USA immer noch läuft. Hier findet man aber auch Kapitel zu den in Deutschland durchaus bekannten TV-Serien “Dallas”, “Der Denver Clan”, “Falcon Crest”, “Beverly Hills 90210” und und und.
Nehmen wir an dieser Stelle die Kapitel über diese bekannten Soaps exemplarisch auseinander.
Es beginnt mit einer allgemeinen Einführung zur Geschichte einer jeden Serie, bei “Dallas” etwa fast vier Seiten. Eine klare Linie ist hier nicht zu erkennen, eine Zusammenfassung der Handlung unterbleibt; bei “Falcon Crest” etwa werden die sogenannten “Cliffhanger” aufgezählt, jene Höhepunkte am Ende einer Staffel vor Beginn der Sommerpause. Fehler bleiben nicht aus, weil offenbar niemand ordentlich Korrektur gelesen hat. So verweisen die Autoren etwa bei “Dallas” auf die Synchronsprecherin von Barbara Bel-Geddes alias “Miss Ellie”, auf Inge Landgut, die auch Donna Reed ihre Stimme geliehen haben soll. Doch als Mrs Reed “Miss Ellie” mimte, war Inge Landgut schon im Jenseits. Eine andere deutsche Synchronsprecherin sprang ein, Edith Schneider. Es darf auch bezweifelt werden, dass JR in 14 Jahren und 356 regulären Episoden nur 25 Frauen beglückt hat.
Es folgt ein biographischer Teil zu jeder Serie. Die Biographien der Schauspieler und ihrer Rollen werden geboten. Da sich die fiktive Biographie der Serienfigur im Satz überhaupt nicht abhebt von den Schauspieler-Biographien, entsteht ein heilloses Durcheinander. Die Auswahl der Biographien ist ebenso undurchsichtig wie ihr Inhalt. Natürlich finden sich etwa bei “Dallas” Informationen zu den wichtigen Schauspielern, aber auch zu Darstellern, die nur für ein paar Episoden durchs Bild gehuscht sind, während andere Hauptdarsteller schlicht fehlen. Beispiel: Michael Wilding ist der zweifellos talentierte Sohn von Elizabeth Taylor und mimte in “Dallas” für ein paar Folgen einen Galeristen, der JRs zweite Frau gerne verführt hätte. Seine Biographie wird gebracht, ebenso eine Beschreibung seiner Rolle. Aber eine Biographie von Cathy Podewell, die drei Jahre lang Cally Harper-Ewing spielte, fehlt. Weshalb die Autoren so entschieden haben? Keine Ahnung! Peinlich auch die Biographie von Robert Foxworth, die so aussieht, als sei sie direkt von der IMDB im Internet kopiert und ohne große Bearbeitung ins Buch gestellt worden; hier wäre der Hinweis zwingend gewesen, dass Foxworth es 1977 ablehnte, einen habgierigen Ölmagnaten in “Dallas” zu spielen, eben jenen JR Ewing, der dann von Larry Hagman Gesicht und Grinsen bekam. Unverständlich beim “Denver Clan”: die Biographien von Al Corley (der als Original “Steven” schwule Maßstäbe setzte) und von Pamela Sue Martin fehlen, ihre Nachfolger in den Rollen werden genannt und verrissen.
Und überflüssig zu erwähnen, dass es die Macher dieses Machwerks für unnötig hielten, ein Personenverzeichnis zu erstellen. Wozu braucht der Leser wohl einen Index?
Schluss hier! Die Zeilen des “Zauberhuts” sind mir zu kostbar, um hier alle Missgriffe dieses Werks aufzuführen. Wer sich also über amerikanische Soaps, ihre Geschichte und ihre Schauspieler informieren will, dem bleibt auch in Zukunft nur der Weg ins Netz.

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(aus: Zauberhut, Februar 2003, S. 19f)

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