Burkhardt Wunderlich: Durchgekommen, Frankfurt a.M 2000
Das Erstlingswerk des neunzehnjährigen Autors beginnt mit einer
brillianten Eröffnung, die auch dem dümmsten Leser deutlich macht,
dass dies kein schlechtes Buch ist. Wunderlich gibt allen recht, die ihm
nach der Schule keine berufliche Perspektive gaben: dieses Elend ist vorbei,
er wird Schriftsteller.
Der junge Mann hat was zu erzählen.
Als geldgieriger Teenager, der unfähig ist, mit seinen Eltern
zu reden, wird ihm vor seinem 16. Geburtstag eröffnet, dass er Krebs
hat. Sein Sportlerleben hat ein jähes Ende, Wunderlich findet sich
bei Ärzten im Krankenhaus wieder. Der Weg vom ersten Zusammenbruch
über anfängliche Fehldiagnosen bis hin zur Einweisung ins Krankenhaus
zwecks Einleitung der Chemotherapie wird in der ersten Hälfte des
Buchs beschrieben, es folgt der monatelang Kampf gegen die Krankheit in
der zweiten Hälfte mit kleinen Triumphen und großen Niederlagen.
Dieser zweite Teil lässt es gelegentlich an der Detailfreude mangeln,
aber am Ende war das die richtige Entscheidung. Manko des Buches: gelingt
ihm die Einbindung seiner Eltern in seine Geschichte, bleiben Ärzte
und Krankenhauspersonal gesichtslose Figuren, die in weissen Kitteln durch
sein Krankenzimmer huschen.
Das Verhältnis zu seinen Eltern bleibt wunderlich. Wie er selbst
einräumt, findet er keinen Draht zu ihnen. Beide Seiten können
nicht miteinander reden. Am Krankenbett erträgt er sie nicht, obwohl
er sie bitter braucht. Gleich der erste Tag seiner Chemotherapie führt
dies vor: er krümmt sich vor Schmerzen, bettelt die Schwester um Hilfe
an und bekommt nur eine schäbige Pille; die Mutter, die im Augenblick
dieser Erniedrigung das Feld betritt, kümmert sich um ihren Sohn.
Das stellt er wohl rückschauend fest, aber es ändert nichts an
seiner Sprachlosigkeit.
Sprachlosigkeit herrscht auch gegenüber den Freunden. Er weiht
sie nicht ein in seine Krankenheit ein. Am Ende der Geschichte ist er geheilt
und ohne Freunde.
Gelegentlich bleibt er oberflächlich. Er möchte die Krankenschwestern
vernaschen und ”poppen”, seine Sexualität wird angesprochen, aber
wie er mit ihr angesichts der Krankheit umgeht, wie und ob er sie lebt,
sagt er nicht.
Am Ende des Buches hat es Wunderlich geschafft: der Krebs ist besiegt,
statt Geld wünscht er sich für die Zukunft Gesundheit. Und er
wird Schriftsteller.
Aus eigener Erfahrung weiß der Rezensent: wer das geschafft hat,
was Burkhardt Wunderlich geschafft hat, der schafft alles. Auch das erste
Buch.
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