8. 12. 2014
1. Schuld und Wunder 1945-1965
Es herrscht Wiederaufbaustimmung, und die Sehnsucht nach heiler Welt
lässt Heimatfilm und Schlager Erfolge feiern. Der Farbfilm "Schwarzwaldmädel"
zieht 1950 rund 16 Millionen Menschen in die deutschen Kinos. Der Blick
der Menschen richtet sich in den Nachkriegsjahren nach vorn, und bereitwillig
toleriert man, wie sich braune Karrieren reibungslos in den politischen
und kulturellen Strukturen der BRD fortsetzen. Während die einen auf
eine Rückbesinnung auf die "unbelastete" klassische deutsche Kultur
als Gegengift zum Schrecken der Nazidiktatur setzen, gedeiht die künstlerische
Avantgarde ausgerechnet in der Provinz: Befreit von ideologischen Fesseln,
zeigen Künstler auf der documenta in Kassel, in den modernen Studios
für elektronische Musik in Köln und an der Hochschule für
Gestaltung in Ulm kulturelle Leistungen auf höchstem Niveau. Junge
Literaten sammeln sich in der Gruppe 47: Dort beginnt nicht nur die Karriere
des späteren Literaturnobelpreisträgers Günter Grass. Mit
wachsendem Wohlstand und dem Abstand einer Generation ist die Zeit schließlich
reif für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit,
im Gerichtssaal der Frankfurter Auschwitzprozesse wie auch in der Kunst.
Kinofilme wie "Die Brücke", Fernsehsendungen über das "Dritte
Reich" und Theaterstücke wie Peter Weiss' "Die Ermittlung" (1965)
tragen die Erinnerung an die deutsche Schuld tief hinein ins deutsche Bewusstsein
und legen einen Grundstein für die aufgeklärte, offene Kultur
der nächsten Generation.
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Bearbeitet an St. Nikolaus 2014